Am Freitagnachmittag vor dem Grand Finale am Samstag fand die erste vollständige Durchlaufprobe der größten Musikshow der Welt statt. Wir haben Highlights und neue Aspekte für Euch zusammengefasst.
Spoiler Alert: Wer sich bis morgen Abend die Spannung erhalten möchte und nicht wissen will, wie das Grand Finale im einzelnen abläuft, der sollte jetzt nicht weiterlesen. Wie gehabt konzentrieren wir uns auf die Dramaturgie der Show und sprechen die Auftritte dann an, wenn es Neuerungen gibt.
Wenige Stunden vor der ersten Durchlaufprobe haben die Produzenten bekanntlich die Startreihenfolge veröffentlicht. Gemischte Gefühle machen sich breit. Deutschland ist an Nummer 10 zwischen die Favoriten Schweden und Frankreich gesqueezt worden, das macht es nicht leichter. Tschechien muß bei seiner ersten Finalteilnahme ever ever ever an Startnummer 2 ran, das dürfte auch kein Stimmungsaufheller für die Delegation sein. Australien hingegen hat mir Startplatz 13 das Beste bekommen, was man kriegen kann, wenn man die erste Hälfte gezogen hat. Auch die (anderen) Favoriten Russland (Nr. 18), Ukraine (Nr. 21) und Armenien (Nr. 26) können jubeln. Zoë ist mit Nr. 24 definitiv auf Wolke 7.
Los geht´s. Das Finalintro ist der Fashionwelt entlehnt, Models in pompösen weißen Fantasiekonstumen betreten einen ebenfalls weiß strahlenden langen Laufsteg. Dazwischen laufen die Finalacts in der Reihenfolge ihres späteren Auftritts auf und werden aus dem Off angekündigt. Dazu laufen Hits von Avicii und Swedish House Mafia. Das ist alles nicht sonderlich originell, aber sehr wirkungsvoll inszeniert.
Alle Acts sind beim Laufsteg-Intro anwesend (viele noch in “Straßenkleidung”), allein Zoë fehlte beim Einlauf. What happened? Bus verpasst? Naja, sie hat ja eine späte Startnummer…
Die Anmoderation von Monz und Petra ist einmal mehr witzig und kurzweilig. Monz freut sich, bald wieder Kohlenhydrate zu sich nehmen zu dürfen.
Laura Tesoro aus Belgien funktioniert als Opener des LineUps exzellent. Sie war die letzte auf der Bühne beim Semi 2 und ist beim Finale dann gleich als Erste dran. Sowas hatten wir auch noch nicht, oder?
Gabriella aus Tchechien hat es an zweiter Stelle nach groovigen Einstieg nicht leicht, Douwe Bob hingegen profitiert davon, auf eine sanfte langsame Nummer zu folgen. Die Kameraführung bezieht nun sehr pointiert seine Band mit ein. Wir sind sehr gespannt, wie sein 10 sec. “Slow down” Break beim unbeeinflussenden, ESC-ferneren Publikum wirken wird, hier wird es sehr auf die didaktische Begleitung der Länder-Kommentatoren ankommen.
“Alles schon ´mal dagewesen” Aserbaidschan wird zwischen Douwe und Freddie untergehen, steht zu befürchten. Es bleibt weiter im Unklaren, wieviel der Stimmgewalt von Samra kommt und wo die Backgroundsängerinnen beitragen und zusteuern.
Freddie an der 5 sieht in seinem casual Outfit (weißes T zu Jeans mit Löchern ab dekorativen Stellen) noch lässiger als im gepimpten Bühnenlook, totally striking, er sollte sich nicht mehr umzuziehen. But that´s just me.
In unmittelbarer Nähe vom PRINZ Bloggertisch hat ein Fanjournalist Platz genommen, der bei Francesca Michielin vor Begeisterung einen regelrechten Tränenausbruch erleidet. “She´s soooo cute.” Nachdem er seine Tränen getrocknet hat, verlässt er uns wieder. Gefühle bis zum Anschlag oder Dramaqueen-Inszenierung? Vermutlich irgendwo dazwischen.
Mich irritieren unverändert die zugesteuerten Blumengraphiken auf dem Screen beim italienischen Song, sie erinnern ein wenig an die neuerdings zu populären Ausmalbücher, sind aber nicht wirklich romantisch. Weniger wäre mehr gewesen.
Poli Genova in bester Stimmung, ihr Lachen ist anstreckend. Ihr Song gehört zu den meistgespielten Floorfillern im Euroclub, was allerdings bekanntlich für´s Abschneiden im Finale keine Aussagekraft hat.
Nach Frans, der seinen Vortrag mit einem zauberhaften Lächeln wie einst Michaelis Hadigiannis in 1998 abschliesst, kommt der erste Break, allerdings nur mit einer kurzen Zwischemoderation von Petra und Monz. Für Jamie-Lee ist diese Zäsur aber als Abgrenzungskriterium hilfreich.
Die Kameraführung bei Jamie-Lee hat sich weiter verbessert, die schnellen Wechsel machen die Darbietung etwas weniger unaufregend. Die Close-Ups wirken stärker als die Totalen, dort sind die Schnitte zeitweilig so kurz, dass der Betrachter, der das zum ersten Mal sieht, die Stimmung nicht vollständig erfassen kann. Die Nebelschwaden erzeugen nicht die magische Wirkung, die wir uns erhofft haben.
Der OGAE hat sein Votingdesk im Pressezentrum eröffnet. Es sind noch relativ wenige Stimmen gezählt, Deutschland liegt derzeit gemeinsam mit Östereich an achter Stelle. Es führt Russland vor Frankreich und der Ukraine und Australien. Der Voting-Vize Amir bekommt für seinen Auftritt im Pressezentrum Applaus.
DJ Douze Points stellt uns – ebenfalls frisch aktualisiert - die Wetten für den letzten Platz zur Verfügung. Diese Statistik ist nicht so erfreulich wie das OGAE Voting. Deutschland führt die Liste an, noch vor Georgien UK und Tschechien. Wer einen Euro auf den letzten Platz von Deutschland setzt, bekommt 4 Euro ausgezahlt, wenn das Ereignis tatsächlich eintritt. Bei UK wären es 7 Euro, bei Russland 1.000 Euro.
Nach Polen und vor Australien gibt es eine Außenschalte zu Monz in der Tele 2 Arena, wo er ein Gespräch von Monz mit Schwedens ESC Siegerinnen Carola und Loreen geben wird. Die Tele 2 Arena mit einer Kapazität von 30.000 Plätzen direkt neben dem Globen wird ein Public Viewing parallel zur Liveshow offerieren. Es gibt dort auch ein Vorprogramm und einer After-Show-Party. Sanna Nielsen (die hier am Mittwoch im Euroclub ein gigantisches Set lieferte) moderiert und eben Carola und Loreen werden dort auch Molly Sandens Boyfriend Danny Saucedo und Panetoz auf der Bühne stehen.
Zypern wirkt nach Dami Im (über die hier im Pressezentrum spekuliert wird, dass sie im zweiten Semi das Televoting gewonnen habe) wie ein Pausenprogramm, bis es mit Sanja Vučić stimmgewaltig weiter geht. Sie hat stimmlich beim Semi nicht alles riskiert, mal sehen, wie das im Finale aussehen wird.
Donny “Gesine” Montell war sicher einer der überraschenderen Qualifikanten im zweiten Semifinale. Wieviel wohl sein dynamischer Purzelbaum dazu beigetragen hat, den er auch in diesem Durchlauf wieder abliefert?!?
Beratungsresistent probt nach Donny Nina Kraljić in einem der schauerlichsten (Trick-)Kleider des ESC Geschichte und schmälert damit den Gesamteindruck ihres überdurchschnittlichen modernen Titel. Sie dürfte sich am Samstag im unteren Drittel wiederfinden. Schade.
Mit Sergej und Barei folgen zwar starke Umtempo Nummern. Sergej hat den Vorteil, dass er auf eine überfrachtete Präsentation auf Kroatien folgt, Barei hat den Vorteil, dass mit “You Are The Only One” bereits der Boden bereitet ist für ein mitreissendes Partyfeeling.
Im Anschluß an Barei stellt Petra zunächst das echte Merchandising-Programm (angefangen bei der CD bis hin zum Baseballcap) vor und – um den werblichen Touch ihres Vortrags etwas abzufedern – danach die Eurovisions-Zwangjacke (“Crazy is the new black.”).
Justs (in schwarzer statt roter Lederjacke) beendet den Werbeblock. Ihm hat die Eröffnung des zweiten Semis geholfen, dieser Drive könnte bis ins Finale reichen. Seine Probe ist eine der wenigen, die jetzt hier im Pressezentrum spontan Applaus erhält.
Mit Justs beginnt auch die dramaturgisch stärkste Teil der Show. Die Ukraine auf Lettland folgen zu lassen und – nach einem Ira Losco Break – den LineUp mit einem so konträren Mix wie Georgien, Österreich, UK und Armenien (in dieser Reihenfolge) abzuschliessen, das ist großes Kino und dürfte maßgeblich dazu beitragen, dass die Zuschauer für´s Televoting aktiviert werden und neugierig werden auf den Zieleinlauf.
Bei der Probe von Malta kommen die Gespräche im Pressezentrum reflexartig auf Ira Loscos Schwangerschaft, die sie öffentlichkeitsfreundlich in dieser Finalwoche bekanntgegeben hat. Ihre in einigen Monaten zu erwartende Niederkunft hat es – wiwibloggs sei Dank – sogar in ihrem Wiki-Eintrag geschafft.
Nach Zypern tritt Georgien mit dem zweiten Song im diesjährigen ESC Finale an, der die (Co-)Handschrift von Thomas G:sson trägt. Georgien gilt hier derzeit als eine der heissesten Wetten, für einen Euro, den man auf eine Top Ten Platzierung von Georgien setzt, gibt es 14 Euro zurück, wenn das tatsächlich klappt.
Noch knapp 30 Stunden, dann ist bekannt, ob Zoë ein Bubble-Phänomen ist und ob sie tatsächlich ganz weit vorne mitspielen kann. Letzteres wird immer wahrscheinlicher, kaum jemand hat nach dem Semi an stärker in den internationalen Download Charts angezogen.
Mit Joe and Jake (unverändert erfrischend und unverstellt) gibt´s noch mal Eye Candy, bevor Iveta das Finale mit einem Paukenschlag beschliesst. Dieser Auftritt ist inszenatorisch und dramaturgisch das Stärkste, was jemals aus Armenien beim ESC war und neben Russland gilt das auch in Bezug auf den Jahrgang 2016.
Auf Iveta folgt ein gespielter Witz (MAZ) mit Ian McKellen und einem zweiten Herren seines Alters. Die beiden spielen ein altes Ehepaar und beklagen sich über die Länge des eurovisionären TV-Programms. Wir haben nicht so recht verstanden, was daran so großartig witzig sein soll.
Monz befragt Justin Timberlake – bzw. dessen “Stand In” Edward af Sillén nach dem ESC. Er sagt, er sei ein großer Fan seit Mekados “Wir geben `ne Party”….
Es folgt ein Video mit Zusammenschnitten der erfolgreichsten schwedischen Chartsongs der vergangenen 40 Jahre. Es ist sehr beeindruckend, wie viele Evergreens ihren Ursprung hier im europäischen Norden hatten! Und dann ist er dran – Justin Timberlake! Auf der Bühne geschieht allerdings gar nichts – bei dieser Durchlaufprobe ist er noch nicht mit von der Partie. Die Zeit wird genutzt, um ein paar technische Justierungen vorzunehmen, bevor sich dann ein weiterer Schnelldurchlauf ankündigt.
Natürlich kommt auch der Junior Eurovision Song Contest zu seinem Recht. Destiny aus Malta, amtierende Siegerin, wird kurz von Monz interviewt. Plötzlich kündigt sich Petra Mede als eigenen Interval-Act an und beginnt, “The Power of Love”, im Original von Jennifer Rush, in das Mikrofon zu plärren. Sie wird aber von Monz höflich daran erinnert, dass sie das aus “Zeitgründen” abbrechen müsse.
Petra und Monz führen daraufhin durch ein wissenschaftliches Experiment, bei dem alle Siegerformeln des ESC filetiert werden und ein perfekter ESC-Sieger geklont wird. Natürlich präsentieren sie diesen dann auch unter dem Titel “Love, Love, Peace, Peace”. Dabei werden eine ganze Reihe Klischees gehörig auf`s Korn genommen. Die muskulösen Trommeln tauchen genauso auf wie die backenden Omas und die vollbusigen polnischen Butterstampferinnen. Wahnsinnig lustig – Riesenapplaus im Pressezentrum. Monz ist zwischendurch shirtless und auch zwei ehemalige ESC-Sieger treten auf! Dies ist für Fans ein echter Leckenbissen, der ESC Geschichte schreiben dürfte.
In bester Tradition zieht Monz auch im ESC Finale 2016 blank.
Monz moderiert mit offenem Hemd Lynda Woodruff an. Wie immer maximal witzig! Monz – inzwischen wieder komplett gekleidet – präsentiert den dritten Teil der Trilogie “Warum ist Schweden so erfolgreich beim ESC?”
Nach einer Greenroom Schalte darf dann Monz auf die Bühne und präsentiert seinen neuen Titel “Fire in the rain”. Das tut er im blauen Anzug mit weißem Hand und fünf Tänzern die passend dazu angezogen sind.
An den Promo-Auftritt von Monz (derzeit top in Form – wie anhand seiner shirtless Sequenzen nachvollziehbar wird) schließt sich auch schon das Voting an.
Das Verlesen der Juryergebnisse gestaltet sich in der Tat recht ansprechend. Auf dem Bildschirm sind zu Beginn jeder Schalte sowohl die Punkte 1-10 der jeweiligen Jury zu sehen als auch die gesamt kumulierten Punkte der jeweils von der Jury bewerteten Länder.
Nach Abschluß des Juryvotings wird das vollständige Scoreboard gezeigt. Darunter ist – analog zum Mello – eine Leiste mit insgesamt im Televoting zu vergebenen 2436 Punkten zu sehen. Diese Leiste schmilzt nach Verlesen ALLER Punkte langsam. Für jedes Land werden die Televotingpunkte in aufsteigender Reihenfolge vorgelesen. Das passiert zunächst (bis zur Top Ten) in schnellem Tempo, aber man kann dem gut folgen und sogar mitschreiben. (In der Probe bekommt Germany 98 Punkte.)
Die Top Ten wird dann theatrischer vorgetragen. Es gibt dazu jeweils eine Live-Totale auf die Delegation des jeweiligen Landes im Green Room. Auch das ist eine Parallele zum Mello. Sobald nur noch vier Länder keine Punkte erhalten habe, gibt es einen Split-Screen, zunächst auf vier Delegationen bzw. Künstler azfgeteukt, dann auf drei, dann auf zwei. Alles very Mello-style aber in der Probe (zumindest) sehr spannend.
Der Reality Check dieses neuen Votingverfahren, dass dann auch den Durchlauf beschliesst, bleibt abzuwarten, aber es ist bei Würdigung unserer ersten Wahrnehmung didaktisch – und vor allem graphisch – deutlich besser gelöst als prognostiziert.